11. September 2023 von Rechtsanwalt
Volker Quinkert

Spurensuche nach dem Steuerrecht im StaRUG

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Mannheim. Für den 10.11.2020 hatte das Zentrum für Insolvenz und Sanierung an der Universität Mannheim e. V. (ZIS) zu
einem Abendsymposium in hybrider Form zum Thema »Insolvenzrecht und Steuerrecht im Entwurf eines Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetzes
(SanInsFoG)« eingeladen. Das ZIS hatte es sich zur Aufgabe gemacht, im Besonderen die Schnittstelle
zwischen Insolvenz- und Restrukturierungsrecht einerseits und Steuerrecht andererseits zu beleuchten und hierzu
RA/StB Dr. Günter Kahlert, zugleich Vorsitzender des Hamburger Kreis für Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht e. V., sowie
Prof. Dr. Marcel Krumm von der Universität Münster, zugleich Richter am Finanzgericht Münster, eingeladen.

Text: Rechtsanwalt Volker Quinkert, Hützen Quinkert

Dem Gesetzgeber ist durch die EU-Richtlinie über einen präventiven
Restrukturierungsrahmen vom 19.06.2019 aufgegeben
worden, bis Juli 2021 insolvenzvermeidende Sanierungsinstrumente
in Deutschland einzuführen. Ziel soll sein, bestandskräftigen
Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten
eine effektive Restrukturierung zu ermöglichen, ohne ein
förmliches Insolvenzverfahren durchlaufen zu müssen. Nach
den Erwägungsgründen der EU-Richtlinie (RL) soll hierdurch ein
kostengünstiges Verfahren angeboten und einem Schuldner der
Anreiz gegeben werden, frühzeitig Regelungen im Verhältnis
zu seinen Gläubigern anzustreben. Nach Erwägungsgrund 17 RL
sollen hiervon insbesondere auch kleine und mittlere Unternehmen
(sog. KMUs) profitieren. Wegen der Auswirkungen von
Covid-19 betreibt die Bundesregierung das Umsetzungsvorhaben
mit großer Eile; der am 14.10.2020 verabschiedete RegE des
Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes
(StaRUG) soll nach dem Willen des Gesetzgebers bereits zum
01.01.2021 in Kraft treten.
Nachdem einen wesentlichen Mangel des deutschen Insolvenzrechts
die fehlende Verzahnung zwischen Insolvenz- und
Steuerrecht darstellt, hatte sich die Veranstaltung zum Ziel gesetzt
zu beleuchten, ob überhaupt und wenn ja in welcher Form
der Gesetzgeber nunmehr eine Abstimmung zwischen dem Restrukturierungsrecht
und dem Insolvenzrecht vorsieht. Hierzu
referierte zunächst Günther Kahlert mit dem Thema »Der Entwurf
eines SanInsFoG: Perspektiven für eine kohärente und praxisgerechte
Verzahnung von Steuerrecht und Insolvenzrecht«.
Um einen Zugang zur Beantwortung der steuerrechtlichen Fragen
zu finden, sind zunächst einmal die unterschiedlichen Verfahrenszugangsvoraussetzungen
darzulegen. Von den Insolvenzgründen
der §§ 17 bis 19 InsO ist nach § 31 Abs. 1 StaRUG nur die
drohende Zahlungsunfähigkeit i. S. v. § 18 Abs. 2 InsO maßgeblich.
In diesem Fall bietet das Gesetz die einzelnen, in § 31 Abs. 2
StaRUG genannten Instrumente bis hin zur gerichtlichen Bestätigung
eines Restrukturierungsplans. Daneben sieht das Gesetz das
(schwächere) Mittel einer Sanierungsmoderation bei bloßen wirtschaftlichen
und finanziellen Schwierigkeiten vor (§ 100 Abs. 2
Nr. 2 StaRUG). Während das Restrukturierungsverfahren nach § 31
StaRUG für die Gläubiger bindende Regelungen vorsieht, sind
demgegenüber im Rahmen einer Sanierungsmoderation nur einvernehmliche
Regelungen möglich.
Wie Kahlert nachfolgend herausgearbeitet hat, haben die
von den Regelungen der InsO abweichenden Ansätze unmittelbare
Auswirkungen auf die steuerlichen Folgen eines solchen
Verfahrens. Im Restrukturierungsverfahren erfolge keine Berichtigung
der Umsatzsteuer und der Vorsteuer. Denn es fehle
an der Uneinbringlichkeit, die erst mit eingetretener Zahlungsunfähigkeit
gegeben ist. Die nur drohende Zahlungsunfähigkeit
bewirke keine ertragswirksame Auflösung von Verbindlichkeiten.
Denn es stehe noch nicht endgültig fest, dass die Verbindlichkeit
entfällt. Umsatzsteuerliche oder ertragsteuerliche
Organschaften blieben im Restrukturierungsverfahren bestehen
und auch Steuerfestsetzungs- und Rechtsbehelfsverfahren würden
durch ein Verfahren nach dem StaRUG nicht unterbrochen.
Zusammengefasst: Solange ein Restrukturierungsplan nicht
durch Beschluss nach § 67 Abs. 1 Satz 1 StaRUG bestätigt ist,
ergeben sich steuerrechtlich keine wesentlichen Folgen.
Dies ändert sich erst mit der gerichtlichen Bestätigung. § 74
Abs. 1 StaRUG bestimme insoweit, dass die im gestaltenden Teil
des Restrukturierungsplans festgelegten Wirkungen mit Bestätigung
eintreten. Folge ist nach Kahlert, dass der Schuldner erst
zu diesem Zeitpunkt von einer Haftung gegenüber seinem Gläubiger
befreit wird. Deshalb sei eine Steuer auf den Ertrag nicht
im Plan anzusetzen und der Ertrag, der sich aus der Planumsetzung
ergibt, sei unter den Voraussetzungen der §§ 3 a, 3 c Abs. 4
EStG, § 7 b GewStG steuerfrei zu stellen. Nicht erfasst vom Plan
würden weiterhin ertragsteuerliche Konsequenzen aus der Auflösung
stiller Reserven sowie der Berichtigung der Vorsteuer
aufgrund eines Forderungsverzichts der Gläubiger, wobei Kahlert
hier die Frage in den Raum stellte, inwieweit dieses Problem
durch eine vorherige Umwandlung bestehender Verbindlichkeiten
in Darlehen vermieden werden kann. Auf jeden Fall sei es
dringend geboten, das zuständige Finanzamt zu den steuerlichen
Folgen des Restrukturierungsplans um eine verbindliche
Auskunft zu bitten.
Besonders in steuerrechtlicher Hinsicht sind dabei die beschränkten
Wirkungen des Restrukturierungsplans zu berücksichtigen,
die sich aus § 77 Abs. 1 StaRUG ergeben. Danach unterliegen
streitige Restrukturierungsforderungen den Regelungen des
Restrukturierungsplans nur in der im Plan vorgesehenen Höhe,
nicht aber über diesen Betrag hinaus. Dies bedeutet laut Kahlert:
Werden über die Wertansätze für Zahlungsansprüche des Fiskus im
Restrukturierungsplan später höhere Forderungen geltend gemacht,
so werden diese von den Wirkungen des Plans nicht erfasst.
Diese Ansprüche können gegenüber dem im Plan überschießenden
Betrag vollumfänglich gegen den Schuldner geltend
gemacht werden. Dogmatisch sieht Kahlert dies damit begründet,
dass ein Feststellungsverfahren, wie es etwa die InsO kennt, im
StaRUG-Verfahren nicht vorgesehen ist.

Aus Sicht der Finanzverwaltung nichts Neues

Anschließend beschäftigte sich Krumm mit dem geplanten
Restrukturierungsverfahren unter dem Aspekt »Insolvenz im
Steuerrecht im Entwurf eines SanInsFoG aus Sicht des Steuergläubigers
«. Zentrales Thema war das Verhältnis zwischen Massesicherungspflicht
und Steuerzahlungspflicht. Krumm verwies
auf die schon etwa 15 Jahre alte Rechtsprechung des BGH, wonach
Steuerzahlungen grundsätzlich mit der Sorgfalt eines ordentlichen
Kaufmanns vereinbar seien, weil die Nichtzahlung
mit Bußgeld bedroht und mit Haftungsrisiken für den Geschäftsleiter
verbunden seien. Daran anschließend habe der 7. Senat
des BFH geurteilt, dass nach seiner Auffassung in der Insolvenz
ein Vorrang der Steuerzahlungsfrist vor der Massesicherungspflicht
besteht. Daraus folgert aus Sicht der Finanzverwaltung,
dass die Steuerabführungspflicht auch nach Insolvenzantragstellung
fortbesteht. Dies gelte erst für das vorgelagerte Restrukturierungsverfahren.
Wäre etwas anderes gewollt gewesen,
dann wäre es Aufgabe des Gesetzgebers gewesen, klar und deutlich
zu regeln, dass die vom BFH aufgestellten Grundsätze nicht
weiter fortgelten sollen. Dies hat der Gesetzgeber nicht getan.
Damit bestehe keine Veranlassung, von der Rechtsprechung des
BFH abzuweichen. Ergebnis: Aus Sicht der Finanzverwaltung
gibt es nichts Neues.
Um diesen Themenkreis drehte sich dann auch im Wesentlichen
die nachfolgende Diskussion, die gleichzeitig angesichts
der hochwissenschaftlichen Erörterungen eine Schwäche des
Formats als Hybridveranstaltung offenbarte. Obwohl das Symposium
mit rd. 200 Teilnehmern – davon allerdings der weitaus
größte Anteil virtuell – gut besucht war, reduzierte sich die
nachfolgende, sehr interessante Diskussion im Wesentlichen auf
einen Austausch der Meinungen von Kahlert, Krumm und Moderator
Prof. Dr. Georg Bitter. Hinsichtlich der von Krumm beschriebenen
Pflichtenkollision des Geschäftsleiters forderte
Kahlert vehement eine Entscheidung des Gesetzgebers. Es könne
nicht weiter so sein, dass man den Geschäftsleiter, der
schließlich das Unternehmen nach der Restrukturierung auch
weiterführen solle, »im Regen stehen« lasse. Dieses schon aus
der InsO bekannte Problem werde auch im StaRUG nicht geregelt.
Hier sei der Gesetzgeber gefordert. Krumm sah dieses Thema
aus Sicht der Finanzverwaltung dagegen gelassen; die Geschäftsleiter
hätten jederzeit die Möglichkeit, sich an der
Rechtsprechung von BGH und BFH zu orientieren. Dem hielt
Kahlert entgegen, dass die steuerlichen Folgen häufig zu dem
Zeitpunkt der Fälligkeit von Steuern noch gar nicht absehbar
seien. Dies gelte im Übrigen auch für vorläufige Insolvenz- und
Eigenverwaltungsverfahren. Auch dort bestehe latent das Risiko
einer Haftung der handelnden Personen. Bis zu einer Gesetzesänderung,
so Krumm, sei es aber zwingend geboten, die bisher
aufgestellten Rechtsgrundsätze weiter anzuwenden. Dahinter
stehe letztlich auch der Gedanke, dass der Geschäftsleiter bei
eingetretener Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung letztlich
verpflichtet ist, Insolvenzantrag zu stellen. Dies beinhalte
umgekehrt seine Verpflichtung, die fällig werdenden Steuern
abzuführen. Tritt die Insolvenzreife ein, so sei der Geschäftsführer
gesetzlich verpflichtet, einen nach der Insolvenzordnung
zulässigen Antrag zu stellen. Es könne letztlich nicht sein, dass
diese Antragspflicht dadurch unterlaufen wird, dass die Steuer-
abführungspflicht im Restrukturierungsverfahren ausgesetzt
wird. Es erscheine richtig, dass derjenige, der eine Insolvenz
verschleppt, an dieser Stelle nicht geschützt wird. Ergänzend
verwies Krumm darauf, dass nach Auffassung der Finanzverwaltung
die Steuerzahlungspflicht auch im Rahmen der vorläufigen
Eigenverwaltung gilt und nicht von der Massesicherungspflicht
verdrängt wird. Daran wiederum seien Haftungsfolgen geknüpft.
Hier gehe die Finanzverwaltung inzwischen regelmäßig davon
aus, dass die Haftung für nicht abgeführte Steuern auch den
vorläufigen Sachwalter trifft, soweit er – dies sei entscheidend
– die Kassenführung übernommen hat.

§ 55 Abs. 4 InsO-RefE: Finanzverwaltung
widersetzt sich

Auch Bitter vertrat insoweit die Auffassung, dass das Problem
der Pflichtenkollisionen für die Geschäftsleiter nicht gelöst
und eine Regelung durch den Gesetzgeber dringend notwendig
sei. Anzufügen ist, dass die noch im RefE vorgesehene Erweiterung
der Anwendbarkeit von § 55 Abs. 4 InsO auf Verfahren der
vorläufigen Eigenverwaltung, die auch von maßgeblichen Verbänden
gefordert wird (vgl. z. B. das Eckpunktepapier Steuern
des VID) im RegE nicht mehr enthalten ist. Nach Krumm habe
sich die Finanzverwaltung der im RefE vorgesehenen Neuregelung
wegen des fehlenden Bezugs zu Ertragsteuern widersetzt.
Kahlert verwies dazu auf die Sorge der Finanzverwaltung, stille
Reserven ertragsteuerlich nicht als Masseverbindlichkeit erfassen
zu können. Bitter wies zusätzlich auf die gesetzgeberische
Besonderheit hin, dass die Bundesregierung ein zustimmungsbedürftiges
Gesetz auf jeden Fall vermeiden wolle, um sicherzustellen,
dass das Gesetz auch tatsächlich am 01.01.2021 in
Kraft treten kann, wobei Krumm Zweifel äußerte, ob die Regelung
tatsächlich zustimmungsbedürftig ist.
Nach Kahlert setzt die fehlende Anwendbarkeit von § 55
Abs. 4 InsO auf Fälle der vorläufigen Eigenverwaltung weiterhin
Fehlanreize. Die Praxis zeige, dass eine vergleichsweise hohe
Anzahl von Verfahren als vorläufige Eigenverwaltungsverfahren
begonnen werden, obwohl diese tatsächlich für eine solche Verfahrensart
gar nicht geeignet sind. Die steuerliche Bevorzugung
der Eigenverwaltung sei für ihn an dieser Stelle weiterhin nicht
nachzuvollziehen. Bitter warf ergänzend die Frage auf, ob die
z. T. deutliche Verlängerung vorläufiger Eigenverwaltungsverfahren
durch revolvierende Absprachen nicht möglicherweise
einen Gestaltungsmissbrauch darstellen könnte. Dies bezweifelte
Krumm. § 42 AO scheine aus seiner Sicht nicht einschlägig zu
sein, weil § 55 Abs. 4 InsO keine steuerrechtliche Regelung sei.
Schließlich wurde ausgiebig erörtert, welche Folgen sich aus
§ 77 Abs. 1 StaRUG ergeben, wo bestimmt ist, dass der Restrukturierungsplan
auf streitige Forderungen nicht anwendbar ist.
Krumm ging der Frage nach, welche Folgen die falsche Bezifferung
der Steueransprüche im Plan hätte. Reicht es aus, Sachverhalte zu
benennen, um etwa Nachforderungen im Rahmen von Betriebsprüfungen
auszuschließen? Damit wäre ein unkalkulierbares Risiko
verbunden, wenngleich § 77 Abs. 1 StaRUG ausdrücklich regle,
dass die Restrukturierungsforderungen nicht über den Betrag hinaus
berücksichtigt und vom Plan erfasst werden, der im Plan
auch tatsächlich genannt wird. Hier warf Prof. Dr. Dominik Skauradszun
in die Diskussion ein, dass der Schuldner zwar die Möglichkeit
habe, konkrete Beträge zu benennen. Der Wortlaut des
§ 77 Abs. 1 StaRUG sei allerdings eindeutig: Darüber hinausgehende
Forderungen, insbesondere zusätzliche Steuern, könnten
weiter geltend gemacht werden. Dies sei ein erhebliches Risiko für
den Planersteller und das zu sanierende Unternehmen. Skauradszun
plädierte deshalb für die Möglichkeit, auch zukünftige
Forderungen zu regeln. Dies solle der Gesetzgeber nochmals
prüfen. Bitter verwies dagegen auf das Risiko eines Gestaltungsmissbrauchs,
wenn nicht eindeutig definiert werde, was Gegenstand
der Wirkungen des Restrukturierungsplans sein soll. Krumm
erinnerte erneut daran, dass die tatsächliche Höhe der festzusetzenden
Steuerforderungen häufig erst nach einer Betriebsprüfung
feststeht und es nicht sein kann, dass dem Fiskus die Erhebung
solcher Steuern unmöglich gemacht wird. Darauf entgegnete
Kahlert, dass in solchen Fällen dann letztlich nur der Weg zum
Insolvenzgericht bleibe; das StaRUG sei einfach nicht das richtige
Verfahren für streitige Forderungen.
Letztlich bestand Einigkeit darüber, dass den Geschäftsleitern
weiterhin erhebliche Haftungsrisiken aufgebürdet werden.
Außerdem wurde der hohe Zeitdruck, unter dem das Gesetz verabschiedet
werden soll, kritisiert. Wesentliche gesetzgeberische
Entscheidungen blieben ausgeklammert, so vor allem für
die Auflösung der Pflichtenkollision des Geschäftsleiters und
die Neuregelung von § 55 Abs. 4 InsO. Außerdem müsse bezweifelt
werden, dass angesichts der Komplexität der jetzt vorgesehenen
Regelung das Verfahren tatsächlich für kleine und mittlere
Unternehmen geeignet sei. Diese dürften häufig schon
nicht in der Lage sein, ein solches Verfahren zu finanzieren.
Zudem hätten gerade große Verfahren in jüngster Vergangenheit,
die im Rahmen der Eigenverwaltung innerhalb weniger
Monate erfolgreich abgeschlossen werden konnten, verdeutlicht,
dass das vorhandene System funktioniert. Deshalb sei es
letztlich auch nicht verständlich, warum der deutsche Gesetzgeber
nicht für eine vertiefende Diskussion die vom Richtliniengeber
gewährte zweijährige Frist ausschöpfen will. «

von Rechtsanwalt
Volker Quinkert

Durch komplexes Terrain gesteuert

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Hamburg. Schon zum siebten Mal hatte der Hamburger Kreis für Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht am 16.06.2023 zu
seiner Jahrestagung in das Hotel Hafen Hamburg eingeladen. Den Teilnehmern wurde wiederum ein vielfältiges Angebot
aus dem Bereich des Sanierungs- und Insolvenzsteuerrechts offeriert, z. B. Steuerfreiheit des Sanierungsbetrags und ein
Update zur Umsatzbesteuerung. Dabei wurde auch über die Grenzen geschaut, um zu sehen, wie Italien und Frankreich
insolvenzsteuerrechtliche Probleme lösen.
Text: Rechtsanwalt Volker Quinkert, Mönchengladbach

Erster Referent nach der Begrüßung durch den Vorsitzenden RA/
StB Dr. Günter Kahlert, dessen Co-Moderator Vorstandsmitglied
RA Dr. Stefan Debus war, war Prof. Dr. Marc Desens von der Universität
Leipzig, der zur »Steuerfreiheit des Sanierungsertrags
im Vergleich: GmbH & Co. KG« referierte. Desens beschäftigte
sich zunächst mit der Gesellschaft als Schuldnerin einer Forderung.
Er stellte das Trennungsprinzip bei Kapitalgesellschaften
dar, welches durch den Fremdvergleich geprägt wird: Ist ein
Forderungsverzicht betrieblich oder gesellschaftsrechtlich
veranlasst? Dahinter steht stets die Frage, inwieweit der Forderungsverzicht
beim Schuldner zu einem Ertrag und beim Gläubiger
zu einem steuerrechtlich anzuerkennenden Aufwand führt.
Entsteht durch den Verzicht beim Schuldner ein Ertrag, so stellt
sich im nächsten Schritt die Frage, ob hierfür nach § 3 a EStG eine
Steuerfreiheit gewährt werden kann. Dies ist der Fall, wenn ein
Forderungsverzicht betrieblich veranlasst ist. Als Beispiel wurde
die Ausbuchung einer Verbindlichkeit genannt, auf die seitens
des Gläubigers verzichtet wird. Hier lägen regelmäßig die Voraussetzungen
nach § 3 a EStG vor.
Anders könne es beim gesellschaftsrechtlich veranlassten
Verzicht sein. Der werthaltige Teil führe zu einer steuerneutralen
Eigenkapitalerhöhung bei der Gesellschaft und nachträglichen
Anschaffungskosten beim Gesellschafter, der nicht werthaltige
Teil stelle bei der Gesellschaft einen gewinnwirksamen Ertrag dar
und beim Gesellschafter einen Sofortaufwand, führte Desens aus.
Eine Freistellung des Ertrags nach § 3 a EStG von der Versteuerung
scheide regelmäßig aus, weil kein »betrieblich begründeter«
Schuldenerlass vorliege. Ob im Einzelfall ein Schuldenerlass gesellschaftsrechtlich
oder betrieblich veranlasst ist, könne nicht
immer eindeutig abgegrenzt werden. Dies müsse im Einzelfall
geprüft werde. Hierzu bildete Desens verschiedene Beispiele, wobei
er auch danach differenzierte, ob die Beteiligungsquote eines
Gesellschafters mindestens 25 % oder weniger beträgt. Dies führt
im Einzelfall zu ertragssteuerrechtlichen Abzugsverboten. Nicht
auf einen Fremdvergleich komme es demgegenüber in der Regel
bei einer Kommanditgesellschaft an. Hier sei vielmehr die Mitunternehmereigenschaft
maßgeblich. Letztlich fasste Desens insoweit
zusammen, dass bei der Kapitalgesellschaft als Schuldner im
Fall des Verzichts durch den Gesellschafter bei der Gesellschaft
selbst kein Ertrag für den werthaltigen Teil einer verdeckten Einlage
und kein steuerfreier Sanierungsertrag für den nicht werthaltigen
Teil der verdeckten Einlage entstehe. Wenn der Forderungsverzicht
betrieblich veranlasst ist, führe dies zu einem
steuerfreien Sanierungsertrag. Auf Gesellschafterebene führe
der Forderungsverzicht – ggf. mit Verlustverrechnungsbeschränkungen
– nur bei einer betrieblichen Veranlassung von Darlehen
und Verzicht zu einer steuerlichen Abzugsfähigkeit. Bei Personengesellschaften
entsteht danach bei der KG durch den Forderungsverzicht
kein Ertrag, während der Gesellschafter den Aufwand
erst im Fall der Veräußerung der Beteiligung steuerlich
geltend machen könne. Der betrieblich veranlasste Forderungsverzicht
führe zu einem steuerfreien Sanierungsertrag und zu
einem steuerwirksamen Aufwand beim Gesellschafter.

Die Organschaft im Widerstreit
zwischen EuGH und BFH

Zum Thema »Aktuelles zur Umsatzsteuerbesteuerung und zur
Insolvenz« referierte Dr. Christoph Wäger, Vorsitzender Richter
des 5. Senats beim Bundesfinanzhof. Wäger beschäftigte sich zunächst
mit verschiedenen aktuellen Entscheidungen zum Thema
Organschaft. Von erheblicher praktischer Bedeutung sind insoweit
die jüngsten Urteile des EuGH. Dieser hat auf Vorlage des
11. Senats am 01.12.2022 unter Geschäftszeichen C-141/20 festgestellt,
dass die Ermächtigung in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der
6. Richtlinie 77/388/EWG einer Regelung nicht entgegenstehe,
den Organträger zum einzigen Steuerpflichtigen einer Personengruppe
zu bestimmen, wenn er in der Lage ist, seinen Willen bei
den anderen Gruppenmitgliedern durchzusetzen, und wenn diese
Bestimmung nicht zur Gefahr von Steuerverlusten führt. Die Ermächtigung
stehe einer Regelung entgegen, die die Möglichkeit
einer Einigung, mit dem Unternehmen des Organträgers eine Personengruppe
zu bilden, an die Bedingung knüpft, dass der Organ-

Durch komplexes
Terrain gesteuert
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träger zusätzlich zu einer Mehrheitsbeteiligung an dieser Einheit
über eine Stimmrechtsmehrheit bei ihr verfügt. Die Richtlinie
gestattet es nicht, »Einheiten« im Wege der Typisierung als nicht
selbstständig anzusehen, wenn sie finanziell, wirtschaftlich und
organisatorisch in den Organträger der Personengruppe eingegliedert
sind. Anders als bislang angenommen ist nach Auassung
des EuGH ein Über- und Unterordnungsverhältnis der Organgesellschaft
zum Organträger nur in Ausnahmefällen eine
zusätzliche Voraussetzung. Ein solcher Ausnahmefall könne etwa
zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder zwecks Vermeidung
steuerlicher Umgehungen anzunehmen sein. Dazu ist
nach Auassung des EuGH weder eine Stimmenmehrheit noch
eine Mehrheitsbeteiligung unbedingt erforderlich, solange der
Organträger in der Lage sei, seinen Willen bei den anderen Mitgliedern
der Mehrwertsteuergruppe durchzusetzen.
Der 11. Senat des BFH ist bestimmten Punkten der Entscheidung
am 18.01.2023 entgegengetreten (vgl. XI R 29/22). Insbesondere
bestehe kein Erfordernis einer Kapital- und Stimmrechtsmehrheit.
Dennoch hat der 11. Senat – wie Wäger anmerkte mit
Zustimmung des 5. Senats – seine Rechtsprechung teilweise geändert.
Zwar werde grundsätzlich weiter am Erfordernis einer
Stimmrechtsmehrheit festgehalten. Es reiche für die Annahme
einer finanziellen Eingliederung aber aus, wenn der Gesellschafter
zwar nur über 50 % der Stimmrechte verfüge, er aber eine
Mehrheitsbeteiligung am Kapital der Organgesellschaft halte und
er den einzigen Geschäftsführer der Organgesellschaft stelle. Begründet
wird dies damit, dass keine zweite Person als Organträger
in Betracht komme und eine schwächere finanzielle Eingliederung
durch eine stärkere organisatorische Eingliederung ausgeglichen
werden könne. Es bleibe aber dabei, dass es zwischen Schwestergesellschaften
keine Organschaft geben kann. Die möglichen
praktischen Auswirkungen dieser Rechtsprechung stellte Wäger
anhand verschiedener Beispielsfälle dar.
Probleme bestehen nach Wäger jedoch weiterhin bei der Frage
der Steuerbarkeit – oder besser Nichtsteuerbarkeit – von Innenumsätzen.
Hierzu verwies er auf den BFH-Beschluss vom 25.01.2023
(V R 20/22). Die Sache ist dem EuGH erneut vorgelegt worden, um
zu klären, ob die Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem
Steuerpflichtigen nach der vorgenannten Richtlinie dazu führe,
dass entgeltliche Leistungen zwischen diesen Personen nicht dem
Anwendungsbereich der Steuer nach Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie
unterliegen, und ob entgeltliche Leistungen zwischen diesen Personen
jedenfalls dann nicht im Anwendungsbereich der Steuer
unterliegen, wenn der Leistungsempfänger nicht oder nur teilweise
zum Lohnsteuerabzug berechtigt ist, da ansonsten die Gefahr
von Steuerverlusten bestehe. Der 5. Senat hat zur Begründung
u. a. auf unterschiedliche Auassungen der Generalanwälte verwiesen
und ausgeführt, dass zu den Vorlagenfragen bislang eindeutige
Aussagen des EuGH vorlägen. Darüber, wie der EuGH die
Vorlagefrage beantworten wird, könne, so Wäger, nur spekuliert
werden. Von der Unzulässigkeit der Vorlage bis zur Annahme der
Steuerbarkeit und der Annahme einer Nichtsteuerbarkeit seien
grundsätzlich alle Szenarien denkbar. Insoweit müsse die Entscheidung
abgewartet werden. Schon jetzt sei aber absehbar,
dass die bisherige Betrachtungsweise eines Über-/Unterordnungsverhältnisses
nicht länger aufrechterhalten werden könne.
Deshalb sei die Auswirkung der erwarteten Entscheidung für die
Praxis noch nicht eindeutig festzulegen.
Weiteres Thema war die Entscheidung des BFH vom 03.08.2022
(XI R 44/20). Dort stellte sich die Frage, ob ein Vorsteuerberichtigungsanspruch
dadurch ausgelöst werde, dass das Insolvenzgericht
einen sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalter mit allgemeinem
Zustimmungsvorbehalt bestellt. Dies allein reiche nicht
aus. Es fehle es an einer anfechtbaren Rechtshandlung, weil die
gerichtliche Anordnung über die Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters
insolvenzanfechtungsrechtlich keine Rechtshandlung
darstelle. Außerdem komme der Nichtdurchsetzbarkeit
einer Forderung aus Rechtsgründen aufgrund einer gerichtlichen
Verfügung nicht der Charakter einer Rechtshandlung zu.

Grundsatzfragen der Besteuerung in
der Insolvenz – wohin geht die Reise?

Über »Grundsatzfragen der Besteuerung in der Insolvenz«
sprach Prof. Dr. Andreas Piekenbrock von der Universität Heidelberg,
moderiert von Günter Kahlert. Zunächst ging es um das Verhältnis
der Massesicherungspflicht zur Steuerzahlungspflicht im
Lichte von § 15 b Abs. 8 InsO. Vor Eintritt der Antragspflicht gelten
die allgemeinen Regeln, die jeder Geschäftsführer zu beachten
hat. Kritisch wird es danach. Für den Geschäftsführer stelle sich
dann die Frage, inwieweit er in Ansehung einer drohenden persönlichen
Haftung noch Steuern begleichen könne. Denn § 15 b Abs. 8
InsO privilegiert das Unterlassen von Steuerzahlungen nur bei

Erfüllung der Verpflichtungen nach § 15 a InsO bzw. bei einem verspäteten
Insolvenzantrag ab Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung
bzw. der vorläufigen Eigenverwaltung. Dabei stelle
§ 15 b InsO klar, dass Zahlungen im ordnungsgemäßen Geschäftsgang,
wozu insbesondere Zahlungen zur Aufrechterhaltung des
Geschäftsbetriebs dienen, unter dem Vorbehalt des Abs. 3 als mit
der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters
vereinbar gelten. Dazu gehörten nicht zwingend Steuerzahlungen.
Trotz der Neuregelung verblieben allerdings bei dem Geschäftsführer
erhebliche Haftungsrisiken. Dies gilt nach Auassung
von Piekenbrock nicht für den vorläufigen Insolvenzverwalter bzw.
Sachwalter. Denn diese seien nicht Adressat von § 69 AO.
Im zweiten Themenblock ging es um die Frage, ob die Richtlinie,
wonach eine volle Entschuldung Ergebnis eines Insolvenzverfahrens
sein soll, angesichts der Rechtsprechung des BFH tatsächlich
vollständig umgesetzt sei. Denn insbesondere die Masseverbindlichkeiten,
die nicht bedient werden, würden im Ergebnis dazu führen,
dass sich ein Schuldner nach Verfahrensbeendigung weiterhin
mit Steuerforderungen konfrontiert sehe. Im Ergebnis habe das
Verfahren dann – entgegen der Vorgabe der Richtlinie – nicht zu
einer vollständigen Schuldentilgung geführt. Piekenbrock wies allerdings
darauf hin, dass die Richtlinie nicht die Begründung jedweder
neuen Steuerverbindlichkeit ausschließe. Insoweit müsse
aber eine unionsrechtskonforme Begründung gefunden werden.
Probleme gebe es insbesondere bei der Frage, wann Steuerschulden
i. S. d. § 38 InsO entstanden sind. Die Rechtsprechung des BFH versuche,
den Zeitpunkt immer mehr in das erönete Verfahren zu
verlegen, um darüber Masseverbindlichkeiten zu begründen. Auch
im Zusammenhang mit der Aufdeckung von vielen Reserven gäbe es
Abgrenzungsprobleme. Piekenbrock warf die Frage auf, inwieweit
diesbezüglich § 301 InsO entsprechend angewendet werden muss.
Hier könne u. a. ein beim BFH anhängiges Revisionsverfahren möglicherweise
zukünftig Aufschluss geben. Der Komplex sei jedenfalls
weiterhin klärungsbedürftig.
In Zusammenhang mit der Freigabe nach § 35 InsO wurde die
Frage diskutiert, wann der Verwalter tätig werden muss und welche
Rückwirkung eine Freigabeerklärung haben kann. Piekenbrock
vertritt insoweit die Auassung, dass durch das bloße Dulden
einer selbstständigen Tätigkeit keine Masseverbindlichkeiten
begründet werden könnten. Daher sei das Entstehen von Steuerverpflichtungen,
die nicht erfüllt werden, in diesem zeitlichen
Zusammenhang auch kein Fall des § 60 InsO. Demgegenüber vertritt
der BFH bisher die Auassung, dass eine Freigabe immer ex
nunc erfolge. Der BGH hat dies bislang in seiner Rechtsprechung
oengelassen. Nach Piekenbrock muss jedenfalls die rückwirkende
Freigabe mit entsprechender Korrektur der Steuerfestsetzung
zugelassen werden. Schließlich wurden noch die umsatzsteuerlichen
Folgen einer Insolvenzanfechtung angesprochen. Die Vereinnahmung
einer umsatzsteuerbehafteten Anfechtungszahlung
führt zu einer Abführungspflicht der Masse in Bezug auf den Umsatzsteueranteil.
Gleichzeitig kann der Zahlungspflichtige eine
Berichtigung vornehmen. Dies hält Piekenbrock in Bezug auf die
Umsatzsteuer für zutreffend. Denn nur so könne wirklich erreicht
werden, dass alles »auf null« gesetzt werde.

Besteuerung von Sanierungsgewinnen
erscheint in Italien liberaler

Am Nachmittag ging der Blick über die Grenzen hinaus. Zunächst
referierte Dottore Antonino Guida zum Thema »Focal
points of the italien tax framework applicable to insolvency and
restructuring procedures«. Zunächst gab Guida einen generellen
Überblick über die unterschiedlichen Verfahren in Italien. Geregelt
ist das Insolvenzrecht im Gesetzbuch über Unternehmenskrisen
und Insolvenzen (GUKI). Es wird im Wesentlichen zwischen
zwei Verfahren unterschieden, nämlich einem Verfahren zur Anwendung
einer Insolvenz (»concordato preventivo liquidatorio«)
und dem formellen Insolvenzverfahren (»concordato nella liquidazione
giudiziale«). Das erste genannte Verfahren ist mit dem
Restrukturierungsverfahren vergleichbar, das zweite Verfahren
stellt ein Insolvenzverfahren im herkömmlichen Sinne dar. Die
wesentliche steuerliche Grundlage ist Art. 88 TUIR. Dort ist im
Einzelnen geregelt, in welcher Weise Erträge zu versteuern sind.
Die Besteuerung von Sanierungsgewinnen erscheint in Italien
deutlich liberaler. Im Rahmen eines Restrukturierungsverfahrens
entsteht im Zusammenhang mit der Schuldenreduzierung kein
steuerpflichtiges Einkommen, soweit der Betrag diese Reduzierung
übersteigt. Der Schuldner hatte die vorgetragenen steuerlichen
Verluste vorzutragen. Im Rahmen eines förmlichen Insolvenzverfahrens
führte keine Schuldenreduzierung zu einem
außerordentlichen steuerbaren Einkommen. Werden mehrere
Gesellschaften zu einer Steuereinheit zusammengefasst und gerät
eines dieser Unternehmen in Insolvenz, so scheidet dieses
rückwirkend zum Beginn des Steuerjahrs aus der Steuereinheit
aus und ist eigenständig zu besteuern. Ansonsten ist es umsatzsteuerlich
auch in Italien so, dass die Innenumsätze innerhalb der
Steuereinheit nicht der Umsatzsteuer unterworfen sind, und Außenumsätze
werden so behandelt, als ob sie von der Mehrwertsteuergruppe
als eine einzige Einheit erstellt worden wären.
Im Restrukturierungsverfahren kann der Schuldner die teilweise
Tilgung etwaiger Steuerverbindlichkeiten vorschlagen.
Akzeptiert die Finanzverwaltung die vorgeschlagene Steuerabrechnung
nicht, kann das Gericht die Zustimmung erzwingen.
Ähnlich verhält es sich bei Durchführung eines förmlichen Insolvenzverfahrens.
Vergleichbar ist die Regelung im förmlichen Insolvenzverfahren,
soweit im Rahmen einer Gesamtregelung mit
den Gläubigern eine bestimmte Steuerabrechnung vorgeschlagen
wird. Wird ein Unternehmen ohne Planregelung liquidiert, so erhält
der italienische Fiskus die ihm zustehende Quote.

Die Organschaft im französischdeutschen
Vergleich

Schließlich beschäftigte sich Amanda Zane Quenette von CMS
Paris mit dem Thema »The new VAT fiscal unity in France« und stellte
in einem lebhaften Vortrag die Neuregelung der Organschaft in
Frankreich vor. Während es in Deutschland schon seit vielen Jahrzehnten
eine steuerliche Organschaft gibt, sei die Möglichkeit der
Bildung einer Umsatzsteuergruppe in Frankreich erst mit Wirkung
zum 01.01.2023 in Kraft getreten. Voraussetzung für die Bildung
einer solchen Organschaft ist danach, dass jeweils bis zum 31.10.
eines Jahres eine entsprechende Option ausgeübt wird, was wiederum
nur jeweils alle drei Jahre möglich sei. Erforderlich dafür sei
in Frankreich – anders als in Deutschland –, dass die Gruppe 50 %
des Kapitals oder mehr als 50 % der Stimmrechte enthält. Der wesentliche
Unterschied besteht neben diesen formellen Voraussetzungen
für die Gruppenbildung darin, dass durch die Ausübung der
Option jeweils für die Dauer von drei Jahren Rechtssicherheit bestehe.
Während in Deutschland z. B. aufgrund des Ergebnisses einer
Betriebsprüfung eine Organschaft auch rückwirkend entfallen
könne und es keine Möglichkeit gebe, das Bestehen einer Organschaft
etwa durch einen Bescheid feststellen zu lassen, führe die
Regelung in Frankreich nach Einschätzung der Berater zu einer
erheblichen Rechtssicherheit. Die Problematik der Rechtsunsicherheit
wird auch in Deutschland immer wieder diskutiert, ohne
dass bislang tragfähige Lösungen gefunden worden wären. Allerdings
gebe es in Frankreich bisher nur wenige Fälle, in denen solche
Umsatzsteuergruppen gebildet worden sind. Das Gesetz ist
erst zum 01.01.2023 in Kraft getreten. Es erönet aber Möglichkeiten
für steuerliche Gestaltungen, die dann rechtssicher für einen
gewissen Besteuerungszeitraum umgesetzt werden können,
worin ein wesentlicher Vorteil im Vergleich zur deutschen Organschaft
gesehen wird. Ob sich diese Erwartungen tatsächlich umsetzen
lassen, müsse die Praxis zeigen.
Eingebunden war in die Veranstaltung die Verleihung des Wissenschafts-
und Forschungspreises 2023. Dieser ist für besonders
anspruchsvolle Doktorarbeiten vorgesehen, welche die Verzahnung
von Insolvenzrecht und Steuerrecht zum Gegenstand haben.
Die Wahl fiel in diesem Jahr auf Dr. Neil Kranzhöfer, der seine
Dissertation zum Thema »Die Haftung der Insolvenzmasse für Forderungen
aus ausländischem öentlichen Recht. Eine Untersuchung
zur Befugnis von Gläubigern aus ausländischem öentlichen
Recht zur Teilnahme am deutschen Insolvenzverfahren«
veröentlicht hat. Die Laudatio hielt RA Prof. Dr. Gerrit Hölzle.
Dieser betonte, dass diese besonders anspruchsvolle Arbeit die
durch die Rechtsprechung bislang nicht geklärte und in der Literatur
umstrittene Frage behandle, ob öentlich-rechtliche Forderungen
ausländischer Hoheitsträger im deutschen Insolvenzverfahren
geltend gemacht werden könnten und im Rahmen der
Quotenausschüttung zu berücksichtigen seien. Nach dem sog.
Nichtteilnahmegrundsatz sei dies nicht der Fall. Kranzhöfer habe
schlüssig herausgearbeitet, warum der Nichtteilnahmegrundsatz
aufgegeben werden soll. Zur ausgezeichneten Arbeit an dieser
Stelle nicht mehr, da Neil Kranzhöfer im kommenden INDat Report
07_2023 seine Arbeit im Rahmen der Serie »Dissertationen im
Restrukturierungs- und Insolvenzrecht« selbst vorstellt. «

von Rechtsanwalt
Volker Quinkert

Das ›richtige‹ Insolvenz-Sonderkonto

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»Das ›richtige‹ Insolvenz-Sonderkonto«

Der Beschluss des BGH vom 07.02.2019 (IX ZR 47/18) zur »richtigen«
Kontoführung im Insolvenzverfahren hat bei Gerichten, Insolvenzverwalter
und Banken zu einer erheblichen Verunsicherung geführt.
Aus diesem Anlass fand der Workshop unter Leitung von RA Dr. Marc
d‘Avoine statt. Referent war Dr. Stefan Saager vom Bundesverband
der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken. Bislang sei i. d. R.
mit offenen Treuhandkonten oder auch klassischen Rechtsanwaltsanderkonten
gearbeitet worden. Die Inhaberschaft am Konto liege
hier jeweils bei dem Insolvenzverwalter persönlich, auch wenn dieses
Konto auf Rechnung Dritter eingerichtet ist. Genau dies habe der BGH
in seiner Entscheidung kritisiert. In dem entschiedenen Fall hatte der
Nachfolger des abgerufenen Insolvenzverwalters, der Gelder veruntreut
hatte, die Bank auf Schadenersatz in Anspruch genommen. Die
Klage des neuen Verwalters wurde abgewiesen. Die Entscheidung hat
der BGH zum Anlass genommen, klarzustellen, dass aus seiner Sicht
die Insolvenzmasse jederzeit in unmittelbarem Zugriff des vom Gericht
bestellten Insolvenzverwalters stehen müsse. Dies gehe nur durch ein
sog. Insolvenz-Sonderkonto. Ein bloßer schuldrechtlicher Anspruch gegen
den bisherigen Kontoinhaber (= Insolvenzverwalters) reiche nicht
aus, um den Sicherungsinteressen der Insolvenzmasse hinreichend
Rechnung zu tragen. Vielmehr müsse der unmittelbare Zugriff des im
Amt befindlichen Insolvenzverwalters sichergestellt sein.
Dabei nehme der BGH Probleme im Zusammenhang mit einer möglichen
Verstrickung in Kauf. Diese Probleme träten immer wieder dann auf,
wenn der kontoführenden Bank, bei der das Insolvenz-Sonderkonto eingerichtet
wird, eine Pfändung eines Gläubigers gegen den betreffenden
Insolvenzschuldner vorliegt. Dann müsse zunächst die Verstrickung beseitigt
werden. Dieses Problem sehe der BGH als lösbar und damit hinnehmbar
an. Die Diskussion verdeutlichte dabei allerdings, dass die
Thematik »Verstrickung von den Banken« durchaus unterschiedlich gesehen
wird. Während der Referent Zweifel äußerte, ob die Verstrickung
in Bezug auf das Insolvenz-Sonderkonto überhaupt eintritt, hatten daran
Vertreter der Deutschen Bank und der HVB ebenso wenig Zweifel.
Denn bei der gewählten Konstruktion sei Rechteinhaber der Schuldner.
Damit falle das Konto in das Vermögen des Schuldners und die Verstrickung
trete ein. Ein Diskutant verwies darauf, dass dies ein seltener Fall
sei, in dem es wirklich auf die (herrschende) Amtstheorie ankomme. Die
rechtliche Zuordnung des Guthabens sei Folge der Anwendung der Amtstheorie
auf die rechtliche Funktion des Verwalters. Ein Teilnehmer ergänzte,
dass aus § 80 InsO folge, dass das Kontoguthaben der Verwaltungs-
und Verfügungsbefugnis dem Amt des Verwalters unterliegen
müsse. Dies gehe in der Tat nur, wenn das Kontoguthaben unmittelbares
Schuldnervermögen ist. Der Mehraufwand, dass im Einzelfall eine Verstrickung
zu beseitigen ist, müsse angesichts dessen notfalls hingenommen
werden.
Letztlich dient die Entscheidung des BGH auch dem Schutz eines
Insolvenzverwalters vor Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung.
Denn wie der BGH in der Vergangenheit in ständiger Rechtsprechung
entschieden hat, richten sich Rückforderungsansprüche dann,
wenn der Insolvenzverwalter Kontoinhaber ist, gegen diesen persönlich.
Damit ist stets ein latentes Haftungsrisiko eines Insolvenzverwalters
verbunden. Dieses wird durch die vom BGH nunmehr geforderte rechtliche
Konstruktion vermieden, weil etwaige Bereicherungsansprüche gegen
den Schuldner bzw. die Insolvenzmasse zu richten sind, wenn es sich
bei dem Kontoguthaben um Schuldnervermögen handelt.
Zusammenfassend kommen also folgende Kontomodelle in Betracht:
Vorläufige Insolvenzverwaltung – offenes Treuhandkonto oder bei Einzelermächtigung
Insolvenzsonderkonto; Eröffnetes Verfahren – Insolvenz-
Sonderkonto; Wohlverhaltensperiode – offenes Treuhandkonto.
Text: Rechtsanwalt Volker Quinkert

Dr. Stefan Saager
Workshop

6. Januar 2020 von Rechtsanwalt
Volker Quinkert

Umstrukturierung

Aufgrund von Umstrukturierungen wird die Kanzlei seit dem 01.01.2020 von Herrn Rechtsanwalt Quinkert als Inhaber geführt.

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2. August 2019 von Rechtsanwalt
Volker Quinkert

Wir trauern um Rechtsanwalt Walter Hützen

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26. Juni 2019 von Rechtsanwalt
Stefan Sprinz

Gläubigeranfechtung – ein nicht zu unterschätzendes Instrument der Forderungsdurchsetzung

Während das insolvenzrechtliche Instrument der Insolvenzanfechtung Gläubigern von säumigen Schuldnern bekannt ist, da sie mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Insolvenzverwalter des in Insolvenz geratenen Unternehmens zur Erstattung erhaltener Zahlungen aufgefordert werden, ist diesen Gläubigern, die die Rückzahlungspflicht häufig als ungerecht empfinden, weniger häufig bekannt, dass auch Vollstreckungsgläubiger, die im Wesentlichen gleichlautenden Vorschriften des Anfechtungsgesetzes auch außerhalb der Insolvenz, für sich nutzbar machen können.

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Die Rechtsprechung wendet die zur Insolvenzanfechtung entwickelten Rechtsprechungsregeln im Wesentlichen auch analog auf die gleichlautenden Regelungen des Anfechtungsgesetzes an. Dies bedeutet, dass ein Unternehmen, welches von seinem Schuldner trotz vorliegenden Vollstreckungs-titels keine Zahlungen erhält, auch unter Zuhilfenahme des Anfechtungsgesetzes auf Vermögens-massen zugreifen kann, die sein Schuldner Dritten zukommen lässt. Für den anfechtenden Gläubiger außerhalb der Insolvenz ergibt sich insoweit der Vorteil, dass die anfechtbaren Zahlungen ihm und nicht einer Gläubigergesamtheit zufließen.
Die Gläubigeranfechtung nach dem Anfechtungsgesetz wird allerdings vielfach unterschätzt. Es wird argumentiert, dass einem Gläubiger außerhalb eines Insolvenzverfahrens wesentlich weniger Infor-mationsquellen zur Verfügung stehen, um die notwendigen Sachverhalte darzulegen und ggf. zu beweisen. Dies ist zwar grundsätzlich richtig. Hierbei wird allerdings verkannt, dass auch der Insol-venzverwalter seine Anfechtbarkeit häufig schon auf Ursachen der Geschäftsbeziehung zwischen dem Insolvenzschuldner und seinem Gläubiger stützen kann. Diese Erkenntnisse sind auch dem Gläubiger außerhalb der Insolvenz in Bezug auf seinen Schuldner bekannt. Sofern daher eine erhebli-che Forderung seit geraumer Zeit nicht bezahlt wird, wird auch der Gläubiger außerhalb eines Insol-venzverfahrens Indizien darlegen können, dass sein Schuldner bereits zahlungsunfähig war. Soweit daher Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Schuldner eines Unternehmens, welches seine Forde-rungen nicht befriedigt erhält, gewisse Gläubiger bevorzugt bedient, kann auch außerhalb eines In-solvenzverfahrens eine Gläubigeranfechtung erfolgreich sein.

Mit dem Handwerkszeug der Insolvenzanfechtung unterstützen wir unsere Mandanten daher auch erfolgreich im Rahmen von Gläubigeranfechtungen.

 

16. April 2019 von Rechtsanwalt
Stefan Sprinz

Kein Bargeschäftsprivileg für Gesellschafter

Spätestens seit der Gesetzesänderung der Insolvenzordnung vom 05.04.2017 gilt die Vereinbarung von Bargeschäften i.S.d. §142 InsO als „Königsweg“ der Vermeidung von Insolvenzanfechtungssachverhalten. Dass Gesellschaftern dieser Weg der Vermeidung einer Inanspruchnahme verwehrt bleibt, hat der BGH in seiner Entscheidung vom 14.02.2019 (Az. IX ZR 149/16) klargestellt.

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Der kundige Jurist wird sich beim Lesen des Leitsatzes des BGH den Wortlaut des § 142 InsO, der überschrieben ist mit „Bargeschäft“ vor Augen führen. Dieser regelt in seinem Absatz 1:

„Eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, ist nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Absatz 1 bis 3 gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte.“

Im Rahmen der Gesetzesänderung ist nur der letzte Halbsatz hinzugefügt worden. Die Rechtslage, zu der die Entscheidung ergangen ist, sah ebenfalls eine Anfechtbarkeit von Bargeschäften nur unter der Voraussetzung des § 133 InsO, also vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung, vor.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, dass Gesellschaftern ein solches Bargeschäftsprivileg nicht zusteht, setzt sich daher bewusst über den Wortlaut der Vorschrift hinweg. Der BGH begründet dies über zehn Seiten mit rechtshistorischen Erwägungen.

Trotz der Begründung des BGH darf die neue Rechtsprechung als überraschend bezeichnet werden.

Gesellschafter von haftungsbeschränkten Gesellschaften werden sich hierauf einstellen müssen. Geschäfte zwischen Gesellschafter und Gesellschaft bedürfen mehr denn je einer intensiven, auch insolvenzrechtlichen, Beratung, wenn der Gesellschafter nicht Gefahr laufen will, am Ende des Tages erhebliche Zahlungen an den Insolvenzverwalter leisten zu müssen und damit auch eine private Insolvenz zu riskieren.

15. Februar 2019 von Rechtsanwalt
Stefan Sprinz

Maßgeblicher Einfluss eines mittelbaren Gesellschafters

Soweit Gesellschafter einer haftungsbeschränkten Gesellschaft im letzten Jahr vor der Stellung eines Insolvenzantrages Rückzahlungen auf Gesellschafterdarlehen oder auf Forderungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen, erhalten haben, unterliegen diese mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Insolvenzanfechtung und sind an den Insolvenzverwalter zurückzuzahlen.

Obwohl an diese Rückzahlungspflicht keine weiteren Voraussetzungen geknüpft sind, als das eine Rückzahlung auf ein Gesellschafterdarlehen bzw. eine einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechende Forderung geleistet wird, zeigt die Tatsache, dass sich sowohl die obergerichtliche Rechtsprechung als auch der Bundesgerichtshof zunehmend hiermit beschäftigen, dass es sich auch an dieser Stelle lohnen kann, den Sachverhalt genauer zu untersuchen, auch wenn die Rückzahlungspflicht zunächst offensichtlich erscheint.

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Neben der Möglichkeit, dass auch einem Gesellschafter das Bargeschäftsprivileg des § 142 InsO zukommen kann (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 08.03.2018, Az. 9 U 67/16), ist die Rechtsprechung immer wieder Sachverhalten beschäftigt, in denen streitig ist, ob eine Forderung einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entspricht.

In persönlicher Hinsicht ist in diesem Zusammenhang durch den BGH festgestellt, dass insbesondere Darlehen verbundener Unternehmen einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen können. Die Verbindung kann insoweit vertikal oder horizontal bestehen.

Im Falle einer horizontalen Verbindung des Darlehnsgebers zum Gesellschafter kommt es nach der Rechtsprechung des BGH für eine Gleichstellung als Gesellschafter zusätzlich darauf an, ob der Gesellschafter auch auf die Entscheidungsfindung des darlehensgebenden Unternehmens, ob das Darlehen gewährt oder beim Schuldner belassen wird, einen bestimmenden Einfluss ausüben kann.

In einem kürzlich vom BGH entschiedenen Fall (Urteil vom 15.11.2018, Az. IX ZR 39/18) musste der BGH den Sachverhalt für die Parteien und das Berufungsgericht neu auswerten.

Vordergründig war offensichtlich, dass die darlehensgebende Gesellschaft, in dem vom BGH zu entscheidenden Fall, einem Gesellschafter gleichzustellen ist. Auch wenn die verschiedenen Verbindungen, in dem zu entscheidenden Fall, zunächst einmal aufzulösen waren, so war letztlich ersichtlich, dass einer der Hauptgesellschafter der Insolvenzschuldnerin zu 100 Prozent an der persönlich haftenden Gesellschafterin, der das Darlehen gegebenen Kommanditgesellschaft, beteiligt war. Insofern lag unter Betrachtung der gesetzlichen Vertretungsregelungen auf der Hand, dass die Gesellschafterin der Insolvenzschuldnerin den notwendigen maßgeblichen Einfluss auf die Darlehensgeberin hatte.

Der BGH hat sich in diesem Fall allerdings zurecht die Mühe gemacht, auch die gesellschaftsvertraglichen Regelungen einzubeziehen. Hiernach lag die Entscheidungsfindung gerade nicht zwingend bei der Komplementärin, auf die wiederum die Gesellschafterin der Insolvenzschuldnerin Einfluss nehmen konnte, da die gesellschaftsvertraglichen Regelungen die Möglichkeit eröffneten vom Gesetz abweichende Mehrheiten zu bilden.

Letztlich hat der Insolvenzverwalter den Rechtsstreit gleichwohl gewonnen, da die Entscheidungsmöglichkeit auch nach den gesellschaftsvertraglichen Regelungen im Zeitpunkt, der in diesem Rechtsstreit zu entscheidenden Rechtshandlung gegeben waren.

Die Entscheidung zeigt aber, dass es in jedem Insolvenzanfechtungsfall geboten ist, sämtliche Sachgrundlagen vollständig zu ermitteln und in die Bewertung, ob ein Sachverhalt vorliegt, der der Insolvenzanfechtung unterliegt, einzubeziehen ist.

Hierzu bedarf es, wie die Vielzahl der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Entscheidungen zeigt, eines Fachmannes, der sich als Schwerpunkt mit dem Insolvenzanfechtungsrecht beschäftigt.

17. Dezember 2018 von Rechtsanwalt
Stefan Sprinz

Der BGH konkretisiert die Voraussetzungen eines schlüssigen Sanierungskonzeptes

Sobald ein Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit erkannt hat, erfolgen Zahlungen an einzelne Gläubiger, die nicht dem Bargeschäftseinwand (§ 142 InsO) unterliegen, mit dem Vorsatz des Schuldners die übrigen Gläubiger zu benachteiligen. Soweit der Zahlungsempfänger die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners erkannt hat, ist ihm auch der entsprechende Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bekannt. Dies ist (verknappt) ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

Der BGH hat in den vergangenen Monaten zahlreiche Ausnahmeentscheidungen verkündet, in denen entweder der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nicht vorlag oder dem Zahlungsempfänger der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nicht bekannt sein musste.

Unter anderem liegt trotz erkannter Zahlungsunfähigkeit kein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners vor, wenn Zahlungen im Rahmen eines schlüssigen und von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehenden Sanierungskonzeptes geleistet werden, dass mindestens in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt war und die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigte.

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Mit einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 14.06.2018, IX ZR 22/15) hatte der BGH nun Gelegenheit diese Voraussetzungen zu spezifizieren.

In seiner Entscheidung stellt der BGH zunächst einmal dar, dass sowohl für die Frage der Erkennbarkeit der Ausgangslage als auch für die Prognose der Durchführbarkeit eines entsprechenden Sanierungskonzeptes auf die Beurteilung eines unvoreingenommenen branchenkundigen Fachmanns abzustellen ist, dem die zur Bewertung notwendigen Unterlagen zeitnah vorliegen.

Den notwendigen Inhalt eines solchen Sanierungskonzeptes macht der BGH wie folgt aus:

          Eine Analyse der Verluste und der Möglichkeit deren künftiger Vermeidung,
          eine Beurteilung der Erfolgsaussichten und der Rentabilität des Unternehmens in der Zukunft,
          Maßnahmen zur Vermeidung oder Beseitigung der (drohenden) Insolvenzreife.

Gleichzeitig stellt der BGH folgenden Mindestinhalt fest:

          Die Art und die Höhe der Verbindlichkeiten,
          die Art und die Zahl der Gläubiger,
          die zur Sanierung erforderliche Quote des Erlassens der Forderungen,
          eine geplante Zustimmungsquote nach Schuldenstand, ggf. für unterschiedliche Arten von Gläubigergruppen,
          den Umgang mit nicht zustimmenden Gläubigern,
          ggf. – soweit erforderlich – die Art und Höhe neuen einzuwerbenden Kapitals sowie die Chance dieses tatsächlich zu erhalten. 

Damit hat der BGH die Anforderungen an ein entsprechendes Sanierungskonzept, welches den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz entfallen lassen soll nunmehr umfassend definiert und damit für Rechtssicherheit gesorgt.  

Die gängige Praxis von Anfechtungsgegnern stets zu behaupten, Zahlungen seien auf Basis eines entsprechenden Sanierungskonzeptes geleistet worden, dürfte damit beendet sein, zumal der Anfechtungsgegner das Vorliegen der vorgenannten Voraussetzungen darlegen und ggf. nachweisen muss.  

Vielmehr zeigt auch diese höchstrichterliche Entscheidung erneut, dass jeder Insolvenzanfechtungssachverhalt einer umfangreichen und konkreten Einzelfallbewertung bedarf. Gläubigern kann in diesem Zusammenhang nur geraten werden vor der Entgegenahme von Zahlungen sicherzustellen, dass die vom BGH festgestellten Voraussetzungen erfüllt sind. Hierzu bedarf es einer insolvenzanfechtungsrechtlichen Beratung.

16. Oktober 2018 von Rechtsanwalt
Stefan Sprinz

Leistung des Schuldners im Rahmen der Schenkungsanfechtung

Leistungen des Schuldners denen keine Gegenleistung gegenübersteht, unterliegen in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners der Insolvenzanfechtung, soweit sie innerhalb von vier Jahren vor dem Insolvenzantrag vorgenommen wurden. Der Begriff der Leistung ist hierbei grundsätzlich weit auszulegen.

Durch eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 05.07.2018, Az. IX ZR 126/17) hat dieser Leistungsbegriff nunmehr eine Einschränkung erfahren.

 

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Der Leitsatz dieser Entscheidung lautet:

 

„Es ist bei der Schenkungsanfechtung nach objektiven Maßstäben aus Sicht des Empfängers zu beurteilen, ob er eine Leistung des Schuldners erhalten hat.“

 

Der Entscheidung des BGH lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem der Zahlungsempfänger eine Zahlung von einem Notaranderkonto erhalten hat. Dieser Betrag war aber nicht von dem Schuldner des Zahlungsempfängers, sondern von einem Dritten auf das Notaranderkonto eingezahlt worden. Der Insolvenzverwalter des Dritten forderte den Betrag nun im Rahmen der Schenkungsanfechtung zurück.

Bei dieser Sachverhaltskonstellation, also einer mittelbaren Zuwendung durch einen Dritten, hat der BGH nunmehr geurteilt, dass es an einer Leistung durch den Dritten fehlt, da für den Zahlungsempfänger nicht erkennbar war, dass der Dritte an ihn leistete und er die Zahlung daher seinem Vertragspartner zuordnete.

Bei einer mittelbaren unentgeltlichen Zuwendung muss der Empfänger – so der BGH –jedoch erkennen, von wem er die Leistung erhält. Er muss außerdem wissen, dass es sich um eine freigiebige Leistung handelt. Dies richtet sich nach objektiven Kriterien.

Der BGH begründet seine Entscheidung vorliegend also mit den Besonderheiten einer mittelbaren Zuwendung durch einen Treuhänder, wodurch nicht zu erkennen ist, aus wessen Vermögen die Zahlung letztlich geleistet wurde. In den Leitsatz der Entscheidung hat diese Besonderheit aber keinen Eingang gefunden, so dass es vertretbar erscheint, die Rechtsprechung auch auf Fälle anzuwenden, in denen aus anderen Gründen für den Zahlungsempfänger nicht erkennbar war, dass es sich um eine freigiebige Zahlung eines Dritten, also nicht seines Schuldners, handelt.